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Sternensinger laufen im Schnee

Des KÖNIGS neue KLEIDER

Datum: 06.01.2025
Von: Kathrin Thoma

Im katholischen Pfarrzentrum St. Georg herrscht munteres Gewusel. Nach und nach trudeln immer mehr Kinder ein. „Sternsinger Zentrale“ steht auf einer kleinen Tafel. Hier melden sich erstmal alle an, bevor sie den jeweiligen Gruppen zugeordnet werden, für die wiederum die Kostüme auf Kleiderstangen bereithängen. Mütter und Ehrenamtliche der Pfarrgemeinde helfen den Kindern beim Einkleiden. Auf den Fensterbänken liegen prachtvolle Hauben und Hüte, daneben Kohle zum Anzünden, Weihrauch, Kreide. An einem Tisch werden die Jungen und Mädchen geschminkt, auf einem anderen ist Schmuck ausgebreitet: Broschen, Ketten, Ohrringe, Armreifen. Hier wühlt Evi Schweiger in einer der Schachteln. Sorgsam sucht sie für jedes Kind die Schmuckstücke aus, die am besten zum Gewand passen.

»Evi Schweiger wurden Nadel und Faden in die Wiege gelegt. «

Evi kennt die prunkvollen Kostüme ganz genau, schließlich hat sie sie in mühevoller Handarbeit gefertigt. Sie werden gehütet wie ein Schatz. Im Pfarrzentrum gibt es unterm Dach extra einen Raum, wo alle Kleider aufbewahrt werden. Mit vielen verbindet die Trachtenschneiderin persönliche Erinnerungen, etwa mit den Stoffen in seltenem türkischen und schottischen Muster. Die Textilien hatte sie Ende der 1970er Jahre einem Schweizer Fabrikanten abgenommen, der aufgrund des politischen Umsturzes im Iran auf seiner Lieferung sitzengeblieben war. „Die Dreikönigskostüme habe ich genäht, als ich noch mein Geschäft hatte. Ich habe dafür nur allerbesten Zwirn verwendet“, erzählt die 83-Jährige, die auch sämtliche Bühnenkostüme für die Ruhpoldinger Waldweihnacht geschneidert hat.

Ihre Großmütter und Tanten waren Schneiderinnen und sie selbst hat schon als Kind am liebsten Puppenkleider genäht. Mit 14 Jahren absolvierte sie in Ruhpolding eine Schneiderlehre. Weil zu der Zeit immer mehr Konfektionsbekleidung auf den Markt kam und niemand mehr eine fertige Gesellin einstellte, machte sie notgedrungen anschließend noch eine Hotelfachausbildung und arbeitete im Ruhpoldinger Kurhaus. Weil ihr Herz aber nie aufhörte für die Schneiderei zu schlagen und sie nach 30 Jahren in der Hotel- und Gastronomiebranche genug hatte, machte Evi endlich das, wovon sie schon als Kind träumte: Sie eröffnete eine eigene Schneiderei, hatte zeitweise bis zu 20 Angestellte und spezialisierte sich auf historische Trachten. „Die hat schon damals fast niemand mehr genäht und dadurch, dass ich Gold und Seide sticken kann, hatte ich immer genug Aufträge. Meine Kunden kamen aus dem ganzen Alpenraum“, erzählt sie. Eine ihrer spannendsten Aufträge war eine Zusammenarbeit mit dem Porzellanhersteller Hutschenreuther. Dabei ging es um große Ausstellungen in Amerika, das Thema war: Bayerische Königshäuser. „Wir haben dafür historische Trachten aus verschiedenen Regionen angefertigt und das Dekor, das auf der Kleidung war, wurde gleichzeitig aufs Porzellan produziert“.

Evi, die Schneiderin der Gewänder.

Der Reihe nach kommen die verkleideten Sternsinger zu ihrem Schmucktisch und lassen sich ausstaffieren. Dabei reicht Evi Schweiger ihnen nicht nur Ketten und Ringe, sie wirft auch ein kritisches Auge auf die Mäntel, Überwürfe, Hosen, Röcke, Hüte. Fünf Anproben haben im Vorfeld des Dreikönigstages stattgefunden. Hier und da hat Evi Nähte aufgetrennt, Längen gekürzt, einen Bund weiter gemacht oder kleine Risse geflickt. Akribisch kontrolliert sie, ob alles sitzt, jedes Kleidungsstück richtig kombiniert ist und ja kein bunter Rollkragenpullover irgendwo hervorspitzt. In solchen Dingen ist die Schneiderin Perfektionistin, was auch die Oper Wien zwölf Jahre zu schätzen wusste, in denen Evi Schweiger wöchentlich zwischen dem eigenen Betrieb und Familie in Ruhpolding und der österreichischen Hauptstadt hin und her pendelte. Sie war dort für die Schneiderwerkstätten und das Marketing zuständig. „Ich komme zum Glück mit sehr wenig Schlaf aus, mir reichen oft schon zweieinhalb Stunden“, sagt die 83-Jährige.

 Stoffe und Kleider der Heiligen Drei Könige

„Ich bereue keinen einzigen Tag und egal wie oft ich noch mal auf die Welt kommen würde, ich würde jedes Mal wieder Schneiderin werden.“

Selbst in den Urlaub ist sie nie ohne ihr Nähzeug gereist und hat sich überall inspirieren lassen, von zarten Gräsern auf Sizilien genauso wie vom Dekor eines Glasfensters im Mainzer Dom. „Wenn ich früher auf Messen durch die Hallen der Stoffhersteller geflitzt bin, habe ich sofort die fertige Bekleidung vor Augen gehabt. Wenn meine Mitarbeiterinnen gesagt haben: Frau Schweiger, jetzt müssen wir aber langsam mal mit dem Kleid anfangen, habe ich geantwortet: Nein, ich habe noch nicht davon geträumt. Ich glaube so ein Leben wie ich es gehabt habe, ist ganz selten.“

Die ersten Sternsinger-Gruppen sind fertig eingekleidet und geschminkt. Sie sind jeweils zu viert oder zu fünft: Die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland - Caspar, Melchior und Balthasar - sowie ein oder zwei Sternenträger. Bevor sie nun von Tür zu Tür durch die Gemeinde ziehen, das bekannte Zeichen C+M+B hinterlassen, für „Christus Mansionem Benedicat“, was übersetzt „Christus segne dieses Haus“ bedeutet, Geld für einen guten Zweck einsammeln und einen Segen dalassen, werden sie noch von Pastoralreferent Georg Gruber mit einem Gebet verabschiedet.

Die 14-jährige Anna ist schon das fünfte Mal beim Sternsingen dabei, sie trägt ein langes, goldenes Gewand mit blauem Umhang. Ihre Freundin Theresa ist auch mit von der Partie. „Das ist ein tolles Gemeinschaftsgefühl und mit den Spenden kann Kindern geholfen werden, denen es nicht so gut geht wie uns“, freuen sich die Mädchen. Dass die Ruhpoldinger Sternsinger auch dieses Jahr wieder so ein prachtvolles Bild abgeben, freut nicht nur Schneiderin Evi. Seit es ihre handgenähten Kostüme gibt, melden sich jedes Jahr fast mehr Jungen und Mädchen freiwillig zum Sternensingen, als Gewänder unter dem Pfarrzentrumsdach lagern.

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