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Der Wildtier flüsterer

Datum: 14.04.2025
Von: Kathrin Thoma

Es ist Ende Mai und Willi Göttler sorgt vor. Sorgsam breitet er eine große Plane Fleece aus. Sie dient als Unterlage für die riesigen, in Folie eingeschweißten Heuballen. Es ist das Winterfutter für seine Tiere. Getrocknete Bergkräuter und feinstes Gras, selbstverständlich nur beste Qualität. Ein benachbarter Bauer fährt ihm die schwere Last mit dem Traktor her. Ballen für Ballen. Vom nicht weit entfernten Wildgehege spitzeln die Hochlandrinder herüber, das Geschehen voll im Blick. Etwas weiter hinten, im anderen Gehege, hat sich ein kleiner, neugieriger Hirsch in den hohen Brennnesseln versteckt.

Über den Bergen steht die Sonne schon tief und Willi Göttlers Tag hat früh begonnen. Ab dem Frühjahr, wenn die Wiesen am Eisenberg unterhalb des Ruhpoldinger Unternbergs reich blühen, schwingt der 64-Jährige jeden Morgen seine Sense. Etwa eineinhalb Stunden, dann ist die Ladefläche seines Pritschenwagens voll. „Das Mähen geht am besten, wenn noch Tau liegt“, sagt er. Anschließend verteilt er das frische Grün in den drei einzelnen Wildgehegen, säubert die Unter- stände, kontrolliert Zäune. Die Tiere hören ihn schon von weitem. Sie erkennen genau das Motorengeräusch seines Wagens. Auch wenn es keine Streicheltiere sind und das Damwild einem extremen Fluchtinstinkt folgt, Willi Göttler fressen sie aus der Hand. Völlig angstfrei betritt er die Weide der fünf Hochlandrinder. Hinter ihrer typischen Langhaar-Zottelmähne sind die Augen nur zu erahnen. „Aber sie sehen sehr gut“ weiß Willi, bei dem alle Rinder nur Bazin und Mannein heißen. Ruhig aber bestimmt schiebt er die schweren Tiere zur Seite, als sie sich gierig auf das getrocknete Körnerbrot stürzen. Ein seltenes Leckerli. Genauso wie das Fallobst vom Golfplatz, das Willi Göttler im Sommer zum Verfüttern bekommt. Ansonsten gibt es nur Grünzeug, kein Kraftfutter, kein Mais, kein Nichts. Die Hochlandrinder leben ganz naturnah. Bereits im Herbst bilden sie ein dickes, extra flau schiges Fell. Es schützt sie vor eisiger Winterkälte. Einmal im Jahr werden die Tiere entwurmt, das ist alles. Die Bewegung hält sie in Form. Wasserstelle, Futterstelle und Unterstand hat Willi Göttler an verschiedenen Plätzen eingerichtet, damit sie viel hin und her marschieren müssen. Fitnesstraining für Rinder.

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»Für sein geliebtes Vieh gibt es nur die besten Bergkräuter und die frischesten Gräser.«

Dem Damwild liegt das Laufen sowieso im Blut. Die Fütterorgie der Hochlandrinder haben sie aufmerksam verfolgt. Jetzt nähern sie sich vorsichtig dem Zaun ihres Geheges, es liegt gleich daneben. Eine sanft abfallende Wiese, mit Bäumen zum Schutz und ganz viel Brennnesseln. Demnächst werden sich die Weibchen – die Damtiere – hierhin zurückziehen und ihre Kälber zur Welt bringen. Etwa zwei bis drei Wochen bleibt der Nachwuchs sicher hinter dem Blätterwald verborgen. Das Muttertier kommt zum Säugen, sobald es ruft. Später laufen die Kleinen einfach in der Herde mit. Der junge Hirsch ist mutig und schnappt sich ein paar harte Brotecken. Das Geweih eines männlichen Tieres kann bis zu siebzig Zentimeter lang werden. Es wird im März, April abgeworfen und das neu geschobene Geweih Ende August verfegt.

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„Ich bin jeden Tag bei ihnen, denn die Arbeit macht Spaß. Es könnte nirgends schöner sein.“

Ruhig und innig beobachtet Willi Göttler die wilde Herde, die dahinsaust und dann plötzlich völlig bewegungslos dasteht und wieder losprescht. Jetzt am Abend, wenn das Sonnenlicht immer goldener wird, ist für den 64-Jährigen die schönste Zeit zum Schauen. Vor fünf Jahren hat er die Tiere übernommen. Der damalige Besitzer war plötzlich verstorben und er selbst suchte nach einer neuen Aufgabe. Früher war er für eine bekannte Ausrüsterfirma zuständig und betreute Spitzenwintersportler im Biathlon, Langlauf und Alpin. Für einen Rentner fühlte sich Willi Göttler nach seinem Ausstieg zu jung. Er ist auf einem Bauernhof in Ruhpolding aufgewachsen. Tiere zu halten, war ihm nicht fremd. In kurzer Zeit eignete er sich sämtliches Fachwissen an, ließ sich in der Oberpfalz ausbilden und legte entsprechende Prüfungen ab. Für seine Tiere hegt er tiefen Respekt. Nur so kann er ihnen, wenn sie das Alter erreicht haben, den Weideschuss geben. Sie haben keinen Stress durch lange, enge Viehtransporte. Der Tod tritt sofort ein, dort wo sie gelebt haben. In einem Schlachtmobil, das sich Willi Göttler mit anderen Bauern teilt, wird das Rind oder Wild sofort entblutet und zur Weiterverarbeitung zum Metzger gebracht. Das ist nur erlaubt bei Tieren, die das ganze Jahr draußen gehalten werden. Mit dem Fleisch beliefert Willi Göttler Gastronomen und Hotels, auch die Brandler Alm in Ruhpolding. Er ist selbst ein ausgezeichneter Koch und kennt Qualität. „Damwild bietet eines der zartesten Wildfleisch - sorten und die Struktur des Fleisches vom freilaufenden Highland Cattle ist sehr feinfaserig, saftig und geschmack- voll.“

Die Pflege der Wildtiere und Hochlandrinder hält Willi Göttler auf Trab, füllt seine Zeit aus. Bei Kurzurlauben springt der Bruder ein. Längere Reisen sind nicht drin. Aber das stört den kräftigen Mann mit dem weißen Bart und den blauen Augen nicht. In seinen Skisport-Jahren hat er die ganze Welt gesehen, war in Kanada, den USA und Japan. Was ihm wirklich am Herzen liegt, sind seine Tiere.

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